Das Vorkaufsrecht ist ein häufig unterschätztes, aber sehr wichtiges Instrument im österreichischen Immobilienrecht. Es ermöglicht bestimmten Personen oder Institutionen, eine Immobilie zu denselben Konditionen wie ein Dritter zu erwerben. Es ist also eine bindende Verpflichtung dem Vorkaufsberechtigten den Vorzug einzuräumen. Ob beim Verkauf eines Hauses, im Erbfall oder im Rahmen von gefördertem Wohnbau – das Vorkaufsrecht kann für Käufer:innen und Verkäufer:innen erhebliche Auswirkungen haben. In diesem Artikel erklären wir die rechtlichen Grundlagen, zeigen die typischen Konstellationen auf und geben wertvolle Praxistipps, wie man sein Recht erfolgreich absichert und durchsetzt.
Das Vorkaufsrecht ist im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) verankert, genauer gesagt in den §§ 1072 bis 1077 ABGB. Es räumt einer Person das Recht ein, ein bestimmtes Objekt – etwa eine Immobilie – dann zu kaufen, wenn der Eigentümer sie an jemand anderen verkaufen möchte. Entscheidend ist dabei, dass die Bedingungen identisch sein müssen. Besonders wichtig ist die Eintragung ins Grundbuch. Ohne diese Absicherung wirkt das Vorkaufsrecht nur zwischen den unmittelbar Beteiligten und kann von Drittkäufern leicht übersehen werden.
Wichtig: Vor Kauf einer Immobilie sollten Sie jedenfalls überprüfen, ob im Grundbuch ein Vorkaufsrecht eingetragen ist. Fragen Sie bei der Eigentümer:in nach und fordern Sie einen Grundbuchsauszug um selbst nachzusehen. Über Belastungen im Grundbuch müssen Sie vor Kauf in Kenntnis gesetzt werden. Ist eine Makler:in von s REAL in Ihren Kaufprozess involviert, ist dies standardmäßig im Service enthalten.
Der sogenannte Vorkaufsfall tritt ein, sobald ein Eigentümer mit einem Dritten einen verbindlichen Kaufvertrag über die Immobilie abschließt. Ab diesem Zeitpunkt ist der Eigentümer verpflichtet, die Immobilie dem/der Vorkaufsberechtigten anzubieten.
Nach österreichischem Recht hat der/die Vorkaufsberechtigte 30 Tage Zeit, um das Vorkaufsrecht auszuüben. Doch Achtung: Eine bloße Erklärung „Ich möchte kaufen“ genügt nicht. Innerhalb dieser Frist muss auch die sogenannte „wirkliche Einlösung“ erfolgen, also die Kaufpreiszahlung oder zumindest ein ernsthaftes Zahlungsangebot wie eine Bankgarantie.
Um das Vorkaufsrecht wirksam zu machen, empfiehlt sich dringend die Eintragung ins Grundbuch. Nur dann kann es auch gegen einen gutgläubigen Drittkäufer durchgesetzt werden.
Wollen Eltern sicherstellen, dass eine Immobilie im Familienbesitz bleibt, aber eine Eigentumsübertragung schon an eines der Kinder vornehmen, ist das Vorkaufsrecht eine gute Möglichkeit. Übertragen sie das Eigentumsrecht dann an eines ihrer Kinder z.B. den Sohn, können Sie durch ein Vorkaufsrecht im Kauf- oder Schenkungsvertrag festlegen, dass ein anderes ihrer Kinder, z.B. eine Tochter, ein Vorkaufsrecht auf die Immobilie hat, falls der Sohn verkaufen will.
Besonders heikel ist die Frage, ob das Vorkaufsrecht auch bei einer Schenkung gilt. Grundsätzlich nein – denn ein Vorkaufsrecht bezieht sich nur auf Kaufverträge. Das bedeutet aber nicht, dass das Recht verschwindet. Im Grundbuch eingetragen bleibt es als Belastung bestehen und bindet die neuen Eigentümer:innen.
Viele Menschen fragen sich, was mit einem Vorkaufsrecht passiert, wenn die Immobilie im Rahmen einer Erbschaft weitergegeben wird. Auch hier gilt: Ein Erbfall löst keinen Vorkaufsfall aus, weil es sich nicht um einen Kaufvertrag handelt. Das eingetragene Vorkaufsrecht bleibt jedoch bestehen und geht als Belastung auf die Erb:innen über.
Ein weiterer Sonderfall ist das bedingte Vorkaufsrecht. Hier wird das Vorkaufsrecht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, zum Beispiel an die Erteilung einer Baugenehmigung. Erst wenn diese Bedingung erfüllt ist, beginnt auch die 30-Tage-Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts.
Ein besonders wichtiger Bereich ist der geförderte Wohnbau. Nach § 15g WGG haben Bauvereinigungen ein gesetzliches Vorkaufsrecht an geförderten Wohnungen. Dieses Recht wird im Grundbuch eingetragen und ist für mindestens 15 Jahre verbindlich.
Auch Gemeinden sichern sich teilweise Vorkaufsrechte, vor allem bei Grundstücken, die für Infrastruktur- oder Wohnbauprojekte benötigt werden. Diese sind jedoch nicht bundesweit einheitlich geregelt, sondern hängen von den jeweiligen Verträgen und Landesgesetzen ab.
Das Vorkaufsrecht ist mit vielen Missverständnissen behaftet. Viele glauben zum Beispiel, dass eine mündliche Zusage oder eine kurze E-Mail ausreicht. Das stimmt nicht – ohne tatsächliche Kaufpreiszahlung oder zumindest ein Zahlungsangebot verliert man das Recht.
Ein weiterer Irrtum: Manche meinen, dass eine Schenkung das Vorkaufsrecht endgültig ‚aushebelt‘. Zwar löst die Schenkung das Recht nicht aus, aber das Vorkaufsrecht bleibt bestehen und kann beim nächsten Verkauf wieder geltend gemacht werden.
Für welchen Preis kann die Immobilie mit den Vorkaufrecht gekauft werden?
Die Konditionen für die vorkaufsberechtigte Person müssen die gleichen sein wie jene, über die Eigentümer:in und kaufinteressierte dritte Person sich geeinigt haben. Der Kaufpreis wird deshalb mit verbindlichem Angebot der dritten Person festgesetzt.
Muss ein Vorkaufsrecht im Grundbuch stehen?
Ja, nur mit einer Eintragung im Grundbuch ist es auch gegenüber dritten Personen durchsetzbar.
Das Vorkaufsrecht ist mehr als nur eine juristische Formalität. Es bietet die Möglichkeit, Immobilien gezielt innerhalb einer Familie oder eines Projekts zu sichern und sorgt für Transparenz beim Verkauf. Entscheidend ist, dass die Vereinbarungen klar formuliert, im Grundbuch eingetragen und im Ernstfall auch rechtzeitig ausgeübt werden.